Jörg Pospiech

Letzte Aktualisierung:
04.05.2016

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Norwegen 2003
Winter 2004
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Februar-April 2004 habe ich mit meinem Freund Hermann eine Winterexpedition der Sonderklasse durchgeführt:

Wir wollten von Kemi an der nördlichsten Ostseeküste mit Ski und Pulka (Gepäckschlitten) zum Nordkapp (Norwegen) fahren. Quer durch den nördlichsten und unwirtlichsten Teil Finnlands und Norwegens
Dies wollten wir ohne Vorratslager oder äußere Unterstützung machen. Dadurch zogen wir allein 50 kg Proviant für 43 Tage in jeden der zwei Schlitten.

Uns trieb zweierlei: Zum einen sollte es unser Jahresurlaub werden - wir wollten mal wieder so richtig Ausspannen!
Zum anderen wollten wir, bevor der Klimawandel richtig einsetzt, es schaffen sozusagen “by fair means” von der Ostsee zum Nordkap zu laufen.
Ganz nebenbei wollte ich meine selbstentwickelte, selbstgenähte Ausrüstung unter arktischen Bedingungen testen.

Da wir beide bisher unsere Wintertouren ausschließlich mit schweren Rucksack und Schneeschuhen gemacht haben, sind wir sobald im Sauerland der erste Schnee lag, zum Kahlen Asten (841 m ü. N.N.?) gefahren und haben unsere neuen Pulkas und die speziellen Telemarkski mit Rotefella Bindung getestet.
Das habe ich dann später noch einmal wiederholt, um meine verbesserte Verbindung zwischen Hüftgurt und Pulka zu testen.
Unsere Skifahrkenntnisse waren/sind recht gering - Alpinskitechniken waren aber auch gar nicht notwendig. Die 90 kg schweren Pulkas haben uns im Tiefschnee häufig wie ein Anker  gebremst.
Eigentlich hätten wir die Tour auch gut mit Schneeschuhen machen können. Einzig auf der Finnmarksvidda-Hochebene war der Schnee genügend verfestigt und gefroren um im Langlaufstil gleiten zu können.

Die Pulkas haben wir frühzeitig vollgepackt in Pappe gehüllt und per Transportunternehmen zu unserem Hotel in Kemi vorausgeschickt, wo wir eine Nacht verbringen wollten.
Wir selber sind dann ab Düsseldorf per Flieger nach Helsinki und dann nach 9 Stunden Wartezeit am Flughafen weiter nach Kemi geflogen. In Kemi kamen wir recht spät mitten in der Nacht mit dem Flieger an und mussten zu unserem Entsetzen feststellen, dass unser Fluggepäck verschwunden war. Da der Flugplatz für die Nacht dicht gemacht werden sollte, war man sehr kurzangebunden, sprach auch nur radebrechend Englisch und drückte uns ein Formular für verlustig gegangene Gepäckstücke in die Hand. Ich füllte es fix aus und trug noch irgendwo den Hotelnamen ein in dem wir untergebracht werden sollten...
Per Taxi ging es dann ins Hotel, in dem immerhin unsere riesigen Pulka-Pakete angekommen waren. Das Hotelpersonal war dann um so netter.
Da es nur ein Ehebett gab, teilte ich mir mit Hermann das Ding...
Es konnte nur noch besser werden...

Am nächsten Morgen erwartete uns ein prächtiges Frühstücksbüffett und unser verloren gegangenes Gepäck!
Es war wohl auf dem Weg nach Kemi bei einem Zwischenstopp ausgeladen worden - zur Wiedergutmachung hatte man es uns ins Hotel gebracht - nicht schlecht, jetzt konnte es endlich losgehen!
Hermann konnte es kaum aushalten und wollte sofort los, ohne erst die Pulkas innerlich anzurühren. Ich wollte eigentlich noch ein paar Sachen raussuchen und umpacken. Speziell meine EXPED Vapor Barrier Socken wollte ich eigentlich anziehen.
Naja, ich verschob es auf später - und das war ein Kardinalfehler wie sich später heraus stellen sollte.
Zuerst erkundeten wir den besten Weg raus aus der Stadt. Dann packten wir eine Pulka nach der anderen und zogen/trugen sie durch die Stadt über gestreute Wege und Strassen hinweg in die verschneite Botanik hinein.
Dabei kamen wir schon gut ins Schwitzen!
Dann ging es direkt los per Ski an einer Bahnlinie entlang. Hermann stapfte mit voller Kraft im Tiefschnee voraus und ich zuckelte hinterher, ab und zu wurden wir dann von Zügen überholt, die sich laut bemerkbar machen - kurzum wir sehnten uns nach Abgeschiedenheit. Nach Stunden kamen wir dann, schon ordentlich verschwitzt an einer Schneeskooterpiste an, die in unsere Richtung lief. Leider entpuppte sich die Piste als Huckelpiste, mit einem Schneeskooter auf Volldampf stelle ich mir das noch recht lustig vor, vor allem das Abheben auf den Huckelgipfeln. Für uns war es die reinste Folter: kaum hatten wir uns mit den schweren Schlitten hochgekämpft ging es ein paar Meter mit Höchstgeschwindigkeit runter und dann sofort wieder rauf, nur das wir mit den Skiern nicht so schnell rauf kamen wie die 90 kg Pulkas runter und uns trotz Gestänge in den Rücken fuhren - Mann haben wir geflucht! Aber wir waren doch erstaunt wie gut die Pulkagestänge hielten, speziell meins aus Glasfaser war extrem elastisch!
Irgendwann kamen wir schliesslich auf eine geräumte Strasse Richtung Norden, das war die reinste Wohltat.
Der Plan war, von der Strasse nach einigen Kilometer auf den grossen Fluss Richtung Norden zu wechseln.
Vorher mussten wir allerdings einen steilen verschneiten Damm hinauf - das war nicht gerade einfach durch den Tiefschnee. Zu zweit schafften wir es so gerade eben eine Pulka nach der anderen hochzuschieben. Auf der anderen Seite ging es dann um so einfacher runter auf die verschneite Eisfläche des Flusses - geschafft!

Von nun an hatte wir das Gefühl endlich aus dem Stadtgebiet heraus zusein. Wir zogen meist über vereiste Schneescooter-Spuren immer Richtung Norden auf dem Fluß entlang.
Zweimal mussten wir den Fluß an Staustufen/Wasserkraftwerken verlassen und per Scooter-Huckelpiste-drumherum ausweichen.
Immerhin, wir kamen voran.
Ab jetzt ging es über den Fluss bis kurz vor Rovaniemi voran.
Vor Rovaniemi wechselten wir auf eine parallel verlaufende plattgewalzte Nebenstrasse zum Fluss. Nun konnten wir das Tempo wesentlich steigern ohne uns auszupowern. Die Skier wurden dafür auf die Pulka verbannt - es bekam den Charakter einer Pulkawanderung! Nur so konnten wir mit den schweren Pulkas Tagesetappen von ca. 22 bis 27 km schaffen. Auf dem Fluss waren es eher 15 bis 17 km pro Tag. Das war zu langsam für unser Zeitbudget - und wir hatten den Eindruck dass es ziemlich dämlich wäre nicht die leichtere Variante zu wählen.

Ein Problem war das Tempo direkt in den ersten zwei Tagen. Obwohl wir es eigentlich besser hätten wissen müssen liessen wir uns zu einem hohen, sportlichen Tempo mit entsprechender Schweissproduktion verführen. Hermann und ich haben nichts gegen harte Arbeit, das Jahr über vertreiben wir uns die Zeit mit Triathlon- und militärischen Ausdauerwettkämpfen, hier im finnischen Winter war das aber unangebracht.
Auf Wintertouren hat man in der Regel nur zwei Heizmöglichkeiten, um Nasses wieder trocken zu bekommen: entweder den Kocher oder die Wärme des eigenen Körpers.
Der Kocher fiel wegen Benzinknappheit für diesen Zweck aus. Blieb der eigene Körper um die nasse Wollunterwäsche, die Socken und Überbekleidung wieder trocken zu bekommen - schön kuschlig was?
In der ersten Nacht schlief Hermann ohne Daunenschlafsack mit kompletter Montur (natürlich immer noch feucht und nassgeschwitzt) in seinem Kunstfaser-Überschlafsack. Das Ergebnis war ein schlechter Schlaf und ein nasser bzw. gefrorener Kunstfaserschlafsack - immerhin noch besser als ein gefrorener Daunenschlafsack!
Ich zog mir meine Ersatzunterwäsche an und kroch in meinen warmen Ajungilak Goose Bay Arctic mit KHS -Kunstfaserüberschlafsack. Die Feuchte Wäsche stopfte ich zwischen Isomatte und Aussenschlafsack unter die Knie. Das ging ganz gut. Morgens hatte ich aber Überwindungsschwierigkeiten in den immer noch feuchten ICEBREAKER Body, den ORTOVOX Overall und den Aramid Overall reinzuklettern. Bis wir endlich loskamen war ich nicht schlecht am schlottern.
Problematisch waren auch die tiefgefrorenen GARMONT Leder-Telemarkstiefel. Ich bilde mir noch heute ein, dass ich besser daran gewesen wäre, wenn ich von Anfang an die EXPED Vapour Barrier Socken angezogen hätte. So dauerte es immer 2-3 Stunden bis die Füsse wärmer wurden und die Stiefel durchs Laufen auftauten.
Bei Hermann dauerte es noch länger da er gar keine Vapour Barrier Socken verwendete und die Stiefel immer mehr Schweiss aufnahmen - also auch über Nacht noch prächtiger gefroren. Allerdings hat er morgens mit 0,5 L PET-Wasserflaschen rumgetrickst in dem er die mit heißen Wasser gefüllten Flaschen in die Stiefel stellte um diese vorzuwärmen - leider nur mit mäßigen Erfolg.

Am Anfang hatten wir auch Koordinierungsprobleme, z.B. bezüglich des Zeltaufbaus (HILLEBERG Keron II GT). Während Hermann genau wusste wo er was in seinem Zelt hinein packt, musste ich erstmal herausfinden wie ich meine Sachen in dem Zelt am besten organisiere - ich war eher Tipis bzw. mein Nammatj EX gewohnt. Somit brauchte ich beim Zusammenpacken ärgerlicherweise immer länger als Hermann. Damit Hermann sich beim Warten nicht die Füsse erfror zuckelte er dann schon mal voraus und war schnell ausser Sichtweite. Das war mental nicht gut für uns!
Es dauerte einen passenden Rythmus zu finden, der auf einer so langen Tour sehr wichtig ist.
Das beste Beispiel waren die Pinkelaktionen: Da Hermann meist voraus lief blieb er zum Pinkeln einfach stehen. In der Zeit schloss ich auf und wartete bis er fertig war. Dann ging es zusammen weiter. Sobald ich aber mal pinkeln musste bekam Hermann das gar nicht mit und so lief er einfach weiter. In den paar Minuten war er dann gleich 200-300 m voraus!
So etwas kann sich über den Tag addieren...
Da die Tätigkeit und die Landschaft recht monoton war versanken wir gedanklich in uns - wahrscheinlich ein Grund warum Hermann äusserst selten zurück guckte, um zu schauen ob ich noch da bin. Das war über die Wochen für mich als Hintermann recht problematisch, da der Gedanke dass ich eigentlich überflüssig sei und wir genauso gut getrennt laufen könnten an mir nagte.
Das Problem bei so einer Tour sind die verschiedenen Geschwindigkeiten. Hermann hatte einen lokomotivartigen Skistil: kurze schnelle Schritte mit denen er die Spur zog - während ich eher langlaufartig mit meinem 90 kg Anker hinten dran versuchte auf Hermanns Spur zu gleiten. Während Hermann seine 85 kg Kampfgewicht ins Spiel brachte konnte ich nur 71 kg gegen meinen 90 kg Schlitten aufbieten. Somit ergab sich schnell dass Hermann vorweg voller Elan die Spur zog.